Ende 2023 wurden vom Bildungsministerium NRW die aktualisierten schulscharfe Sozialindexe für alle Schulen in NRW veröffentlicht. Ergebnis für die städtischen Schulen in Kleve: der Unterstützungsbedarf an mehreren Schulen ist signifikant gestiegen und somit auch der Bedarf an Schulsozialarbeit – wie wir berichteten.
Die Neuberechnung des Sozialindexes blieb dabei nicht ohne Folgen:
- vier Grundschulen weisen einen höheren Unterstützungsbedarf als vorher auf; davon drei Grundschulen mit einem Sozialindex der Stufe 7 (von insgesamt 9 Stufen) und somit einen deutlich erhöhten Unterstützungsbedarf
- bei den weiterführenden Schulen nahm der Unterstützungsbedarf bei vier der fünf Schulen zu; signifikant die Josef-Beuys-Gesamtschule, die von von Stufe 5 in Sozialindex Stufe 7 hochgestuft wurde
Aufgrund des unübersehbaren gestiegenen Bedarfs an Schulsozialarbeit konnte sich der Stadtrat nach ausgiebigen Diskussionen in der letzten Ratssitzung 2023 noch dazu durchdringen im Haushalt 2024 die vorhandenen Stellen der Schulsozialarbeit um zwei weitere Stellen auf auf insgesamt 10 Vollzeitstellen aufzustocken. Die Neuverteilung der nun 10 Vollzeitstellen Schulsozialarbeit an den städtischen Klever Schulen sollte im ersten Jugendhilfeausschuss in 2024 am 04.03.2024 beschlossen werden.
Für die Verteilung der Schulsozialarbeit wurde bereits mit Einführung des schulscharfen Sozialindexes im November 2021 ein Verteilungsschlüssel vom Jugendhilfeausschuss der Stadt Kleve beschlossen, der als Grundlage den jeweiligen Sozialindex einer Schule vorsah, die Gliederung der Stundenanteile jedoch nur die Indexstufen 1 bis 4 (oder höher) berücksichtige. Zu dem Zeitpunkt gab es nur zwei Grundschulen mit einem Sozialindex von 5 als Höchstwert in Kleve.
Gliederung Stundenanteile nach Indexstufe aus 2021:
- Sozialindexstufe 1: 25 % Stellenanteil (0,25 Vollzeitstelle)
- Sozialindexstufe 2: 50 % Stellenanteil (0,50 Vollzeitstelle)
- Sozialindexstufe 3: 50 % Stellenanteil (0,50 Vollzeitstelle), Besonderheit: Grundschulen 75 %
- Sozialindexstufe 4 oder höher: 100 % Stellenanteil (1,0 Vollzeitstelle)
Die Verteilungssystematik aus 2021 wurde den nun neuen Sozialindexeinstufungen der Klever Schulen nicht mehr gerecht, da diese den Schulen ab Indexstufe 4 bis Indexstufe 9 identische Stundenanteile (1 Vollzeitstelle) an Schulsozialarbeit zuordnete. Es bestand der Wunsch, dass auch über Indexstufe 4 hinaus eine aufbauende Stundenverteilung etabliert wird. Den Mitgliedern war dabei bewusst, dass eine Schule mit einem Sozialindex 7 einen höheren Unterstützungsbedarf haben wird als eine Schule in Indexstufe 4.
Aus diesem Grund beauftragte der Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung im März 2024 die Verwaltung der Stadt Kleve u.a. damit, bis zum nächsten Jugendhilfeausschuss im Juni ein überarbeitetes Konzept zur Verteilung der Schulsozialarbeit vorzustellen. Bei diesem sollten sowohl die Sozialindexstufen über 5 aufbauend in die Verteilung der Schulsozialarbeit mit einbezogen werde, um dem benötigten unterstützenden Bedarf gerecht zu werden, aber auch die Schülerzahlen der jeweiligen Schulen Berücksichtigung finden, da auch die Größe einer Schule ein ausschlaggebender Punkt bei der Festlegung des Bedarfs sei. Bis dahin sollte als Grundlage der notwendigen Neuverteilung der Schulsozialarbeit der 2021 beschlossene Verteilungsschlüssel gelten (Beschluss Drucksache Nr. 813 /XI. vom 04.03.2024).
Im Juni wurde den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses von der Verwaltung die neue Konzeption als Basis für die Verteilung der Schulsozialarbeit an den städtischen Schulen vorgelegt. Neben einer neuen Berechnungssystematik u.a. auf Basis der Indexstufe und der Schülerzahl der jeweiligen Schule, beschreibt die neue Konzeption auch die Grundlage, Ziele und Arbeitsfelder der Schulsozialarbeit, sowie neu auch eine Verteilung ihres Arbeitseinsatzes auf die Einsatzorte (Stammschule und Räumlichkeiten des Fachbereichs Jugend und Familie). Ergänzend sieht das Konzept eine Koordinierungsstelle der Schulsozialarbeit verortet im Fachbereich Jugend und Familie mit einem Stellenanteil von 0,25 einer Vollzeitstelle vor und eine Teamkoordinierung von 0,25 einer Vollzeitstelle in Verantwortung des Fachbereichs Jugend und Familie, zusätzlich zum Zielwert verortet an der Grundschule GGS An den Linden, welche vormals vom BBZ gestellt wurde und rechnerisch im Zielwert der Stundenanteile bei der Grundschule GGS An den Linden gehörte.
Auf den ersten Blick scheint die neue Berechnungssystematik ein faires Instrument für die Neuverteilung der Schulsozialarbeit zu sein, die sich jedoch bei genauerem Hinsehen als unfair gegenüber Schulen mit mittlerem bis niedrigen Unterstützungsbedarf und rechnerisch ungenau entpuppt.
So basierte die neue Berechnungssystematik dieser Konzeption
- u.a. auf Grundannahmen, die auf die wenigstens Schulen in Kleve zutreffend sind. Die neue Verteilung sieht zum Beispiel bei den Grundschulen ein Verhältnis von einer Stelle auf 500 Schüler/innen vor und bei den weiterführenden Schulen eine Vollzeitstelle auf 1.000 Schüler/innen. Die LAG Schulsozialarbeit NRW e.V. empfiehlt dagegen bereits seit 2021 einen Verteilerschlüssel von 1 Stelle auf 150 Schüler*innen.
- teilweise auf deutlich von der Realität abweichenden Schülerzahlen, die zur Berechnung zu Grunde gelegt werden, wie zum Beispiel bei der GGS An den Linden (Berechnung basiert auf > 500 Schüler/innen, tatsächlich besuchen ca. 400 Kinder diese Grundschule)
- auf zusätzlichen Aufwertungsfaktoren bei Schulen in hohen Indexstufen (Stufe 7 bis 9), wodurch Schulen in den mittleren Indexstufen benachteiligt werden. Sie erhalten zum einen einen erhöhten Zielwert an Beschäftigungsumfang bereits über die Indexstufe und zum anderen einen zusätzlichen Zuschlag von 0,5 Stellenanteile einer Vollzeitstelle
- generell auf einem Mindestsockel von “nur” 25 % Stellenanteile einer Vollzeitstelle je Schule – das bedeutet in der Realität ca. 9,75 Stunden/Woche und ist für die Aufgaben der Schulsozialarbeit an Schulen mit einem niedrigen Unterstützungsbedarf (Index 1 bis 3) sehr knapp bemessen
Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass die neue Konzeption eine Teilung des Arbeitseinsatz der Fachkräfte von 70 % in der Stammschule/den Stammschulen und 30 % in Räumlichkeiten der Verwaltung (des Fachbereichs Jugend und Familie) vorsieht, obwohl es sich dabei um Angestellte des BBZ im Kreis Kleve handelt und nicht um städtische Angestellte. Deren Unterstützung wird primär an den Schulen vor Ort benötigt und erfährt dadurch weitere Einschnitte. Eine Aufgabenbeschreibung über die 30 % Arbeitszeit in Räumlichkeiten der Verwaltung kann der Konzeption nicht entnommen werden.
Bei genauerem Hinsehen führt der scheinbare Freud der Neuberechnung an manchen Schulen, zu einem harten Einschnitt beim anderen. Ein Beispiel dafür ist die Willibrord Grundschule in Kellen. Trotz zuletzt gestiegenem Sozialindex (von Stufe 3 auf 4) und damit einer Erhöhung des benötigten Unterstützungsbedarfs, wird der Stellenanteil der Schulsozialarbeit mit der neuen Konzeption auf den Mindeststundenumfang von 0,25 Stellenanteile einer Vollzeitstelle reduziert, obwohl erst mit Beschluss im März 2024 die Schulsozialarbeit von einer 0,75 Stelle auf eine Vollzeitstelle erhöht wurde. Auf kritische Nachfrage erklärte die Verwaltung, dass es immer „Verlierer“ geben wird.

Schulsozialarbeit ist soziale Arbeit in und an Schulen; Schulsozialarbeiter*innen tragen dazu bei, Bildungsbenachteiligungen abzubauen und Bildungschancen zu eröffnen. Sie beraten und unterstützen Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz und befördern eine kinder- und jugendfreundliche Umwelt. Hauptziel ist dabei der präventive Kinderschutz.
Trotz angeführter Missstände in der Berechnungssystematik und bestehenden Bedenken zur Umsetzung wurde das vorgestellte Konzept im Jungendhilfeausschuss am 05.06.2024 mehrheitlich beschlossen. Ein Beschluss, der im Nachgang Besorgnis und Irritationen auslöste und zu Diskussionen bei den Schulleitern, dem Dienstleister und auch in der Politik führte, wie zuletzt die RP berichtete.
Inzwischen wurde deutlich, dass der getroffene Beschluss nicht mit den Schulleitungen vorab erarbeitet und besprochen wurde. Dies hätte jedoch laut BASS 21-13 Nr. 6 „Beschäftigung von Fachkräften für Schulsozialarbeit in NRW“ geschehen müssen. Außerdem wurden bereits rechtliche Bedenken gegen Teile der Konzeption durch die Schulleitungen geäußert.
Um dem zunehmenden Bedarf und den Arbeitsaufgaben der Schulsozialarbeit an den Schulen in Trägerschaft der Stadt Kleve auch zukünftig gerecht zu werden, appellieren wir als Elterninitiative „Klever machen Schule“ dafür, dass der am 05. Juni 2024 vom Jugendhilfeausschuss mehrheitlich gefasste Beschluss wieder aufgehoben wird und vorerst die Verteilung der Schulsozialarbeit gemäß Beschluss aus März 2024 weiter erfolgt, bis das erstellte Konzept gemeinsam mit den Schulleitungen und den Schulsozialarbeiter/innen überarbeitet wurde mit dem Ziel eine tatsächlich neue faire Berechnungssystematik zu erarbeiten.
Wir als Elterninitiative „Klever machen Schulen“ wünschen uns ein sicheres fortschreibungsfähiges Konzept, dass den Anforderungen der Schulsozialarbeit aber auch den Bedürfnissen der Schulen und Fachkräften gerecht wird.
Es muss nicht zwangsläufig Verlierer geben.
Ferner sollte die Verwaltung für den kommenden Haushalt 2025 in betracht ziehen, ob eine weitere Aufstockung der Schulsozialarbeit notwendig ist – der Bedarf aufgrund der Vielzahl von Aufgaben und Schwerpunkte ist bereits jetzt erkennbar.